Die Freimaurerei von 1901 bis 1999
Im Hinblick auf das nahende Jubiläum 1911 entschließt sich die Loge 1908, zu einer umfangreichen Baumaßnahme. Das Logenhaus wird in den Zustand versetzt,den wir – mit Ausnahme der Hausmeisterwohnung und des Gerkenzimmers – auch heute noch vorfinden: das Gesellenzimmer entsteht durch die Aufstockung des Saalanbaus, und das gesamte Gebäude wird bis zur südlichen Grenze verlängert.
Trotz des 1. Weltkrieges (1914-1918) ist es 1916 möglich an Stelle des bis dahin vorhandenen einstöckigen Vorbaus am Logenhaus eine Hausmeisterwohnung zu errichten. Im selben Jahr wird an der Gartenseite eine hölzerne Veranda und an der Seite der Magnusstraße das charakteristische Eingangsportal gebaut. Seit dieser Zeit sind 4 oder 5 Generationen unserer Brr. durch das mit Winkelmaß und Zirkel geschmückte Tor über die damals neu gebaute und seit dem für uns alle jederzeit so symbolhafte Brücke über den Magnusgraben in die Stille und den Frieden unseres Logenhauses gegangen.
Mehr als 60 Jahre vertrauensvoller Zusammenarbeit haben die Großloge Royal York und ihre Tochterloge miteinander verbunden, bis 1933/35 hier wie dort die Lichter in unseren Tempeln gelöscht werden mussten. 1932 gab es in Deutschland 640 Logen mit 79.600 Mitgliedern, die sich auf Grund der deutschen Kleinstaaterei auf 11 Großlogen verteilten. Nach dem Verbot der Freimaurerei durch die Nationalsozialisten haben sich nach 1945 wieder etwa 500 Logen mit rund 16.000 Mitgliedern gebildet. Gewiss, auch unser Logenhaus war in der Zeit der „Dunkelheit“ und in den Jahren danach „zweckentfremdet“: SS, SA, NS-Frauenschaft und Wirtschaftsamt hatten dort ihr Hauptquartier, und ein Reservelazarett des DRK und 3 oder 4 Klassenräume des von der Britischen Miltär-Regierung beschlagnahmten Gymnasiums „Ernestinum“ waren keine sonderlich erwünschten Mieter.
Die Organe der Stadt Celle aber haben sich unter ihrem Oberbürgermeister (Br.) Walther Hörstmann und seinem Nachfolger Oberbürgermeister Heinichen in keinem Augenblick der Verpflichtung entzogen, uns unser Logenhaus wieder in dem Zustande zurück zugeben, in dem man es 1935 als Stiftung zur Pflege „kultureller“ Aufgaben entgegennahm. Seit dem Johannisfest 1949 steht uns unser Haus — von der Stadt mit erheblichem Aufwand würdig hergerichtet —wieder unbeschränkt zur Verfügung.
Schon zum Johannisfest 1945 fand sich nach dem Zusammenbruch eine größere Zahl von Brr. in der Wohnung von Br. (Amtsgerichtsdirektor) Püllmann in der Westcellertorstraße 15 A zusammen, die sich trotz des Verbotes der Britischen Militär-Regierung wieder als Loge „Zum hellleuchtenden Stern“ konstituierten und für die Wahrung von Wiedergutmachungsansprüchen u. ä. einen Vorstand wählten, der aus den Brr. Herold, Hostmann und Hörstmann, Gerken und Burggraf bestand. In der Folgezeit suchte und fand man Verbindung mit Nachbarlogen, die zu einer regen Zusammenarbeit und im März 1948 erst einmal zur Gründung der „Landesloge Niedersachsen“ führte.
In der Erkenntnis, dass nach den Jahren der gemeinsam erduldeten Verfolgung über Eigenart und Systeme hinweg nur das Einigende und Verbindende in der deutschen Freimaurerei von Bedeutung sei, verzichtete diese Landesloge wie fast alle anderen inzwischen wieder zu neuem Leben erwachten Großlogen auf ihre Selbständigkeit in der meist viel zu engen regionalen Ebene, um am 19. Juni 1949 in der Paulskirche zu Frankfurt Baustein für die den größten Teil der Bruderschaft umfassende „Vereinigte Großloge von Deutschland“ zu werden.
Durch den Abschluss der Magna Charta, durch das Hinzukommen der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland (FO) im Jahre 1958 und der bisher noch abseits stehenden Logen der „Großen National-Mutterloge Zu den 5 Weltkugeln“ (1959) ist das Einigungswerk nun endgültig vollendet. „Es gibt nur eine Freimaurerei“, und die neue VGL ist die einzige Repräsentanz der gesamten Bruderschaft der deutschen Freimaurer. Das ist die Feststellung des Konvents von Bremen (1960), und es ist wirklich völlig gleichgültig, nach welchem Ritual hier oder dort gearbeitet wird: die Wege mögen verschieden sein, das Ziel ist immer das gleiche.
Mit dem 1. April 1955 beginnt ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Freimaurerei in Celle. Nachdem die Zahl der Mitglieder auf nahezu 120 angewachsen war, wurden an diesem Tage — in dem Wunsche, in einer kleineren Gemeinschaft intensivere, lebendigere, nützlichere freimaurerische Arbeit zu leisten — mit den seit dem Zusammenbruch neugewonnenen Brr. neben der Loge „Zum hellleuchtenden Stern“ zwei neue Arbeitslogen gegründet und zum Johannisfest feierlich installiert.
Dabei wurde festgelegt, dass die Mitglieder dieser beiden neuen Logen auf dem Wege der Doppelmitgliedschaft ohne besonderes Zutun auch der alten Loge angehören sollten, der je länger desto mehr künftig nur noch die Aufgaben einer wirtschaftlichen Einrichtung (Verwaltung des Logenhauses, der Stiftungen und der gemeinsamen Kassenführung) obliegen werden.
Um die Erinnerung an die beiden Logen wachzuhalten, die schon einmal im 18. Jahrhundert in Celle bestanden, gab man ihnen die Namen „Aurora“ und „Augusta“ mit dem Zusatz „Zum hellleuchtenden Stern“. Mit diesem Zusatz sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass die beiden neuen Logen bei aller Selbstständigkeit in der überlieferten Tradition und im Lichte der alten Loge weiterarbeiten.
Die 200 Jahre umfassende Geschichte der Loge „Zum hellleuchtenden Stern“ ist ein Spiegelbild des Zeitgeschehens. Von hohem Idealismus getragene Jahre emsigster maurerischer Tätigkeit wechselten mit Jahren der Ermüdung (1826/37), der Indifferenz (1846/49) und der Unduldsamkeit von außen her (1933/45).
Die Gründer der Loge und ihre Mitglieder in den ersten 50 Jahren waren in erster Linie Gelehrte und Geistliche, Offiziere, Richter des Appellationsgerichts (des späteren Oberlandesgerichts), Ärzte, Angehörige des Adels auf den Gütern der näheren und weiteren Umgebung, und erst in zweiter Linie sonstige freie Berufe, Lehrer, Kaufleute, Beamte u. a..
Das wird verständlich, wenn man weiß, dass seit dem 18. Mai 1840 Prinz Wilhelm — der spätere Kaiser Wilhelm I. — das Protektorat über die Freimaurerei in Preußen übernahm, und Georg V. seit 1852 in gleicher Eigenschaft als Protektor und seit dem 14. Januar 1857 als Großmeister den Logen in seinem Königreich Hannover Schutz und Schirm gewährte.
Aus dem erfreulicherweise lückenlos vorhandenen Mitgliederverzeichnis der Loge „Zum hellleuchtenden Stern“ würde man ohne große Mühe solche soziologischen Betrachtungen mit entsprechendem Zahlenmaterial belegen können und dabei für die letzten 50 Jahre festzustellen haben: der Mittelstand in allen seinen Erscheinungsformen — vom Werkmeister über den selbständigen Handwerker und Kaufmann bis hin zum freischaffenden Akademiker und höheren und mittleren Beamten — ist der Personenkreis, aus dem jene Männer kamen, denen wir Blühen, Wachsen und Gedeihen unserer Loge zu danken haben. Das zu erkennen heißt, Tag für Tag auch die Verpflichtung zu fühlen, die sich daraus logischerweise für jeden Bruder ergibt.