Da die freimaurerischen Rituale den äußeren Rahmen für den Ablauf der Tempelarbeiten festlegen, so folgt daraus, dass zu dem Rahmen auch ein Bild, zu dem Gefäß ein Inhalt gehört.
Hier stoßen wir auf eine weitere „Eigentümlichkeit“ der Freimaurerei, und zwar in des Wortes wahrer Bedeutung. Denn es ist tatsächlich ihr geistiges Eigentum, die nur ihr eigene Methode, ihre Botschaften nicht nur mit Worten und Argumenten an den Verstand zu richten, sondern durch Verwendung von SYMBOLEN sehr stark auch das Gemüt anzusprechen. Die freimaurerische Botschaft wird dadurch nicht nur erfahrbar, sondern auch erlebbar. Symbole sind Bilder, Gesten oder Handlungen mit einer ihnen unterlegten Bedeutung. Symbole durchziehen unser ganzes Leben, ohne dass uns dies recht bewusst wird.
Viele Symbole erhalten ihren Sinn erst durch eine ihnen unterlegte Bedeutung. Dies gilt z.B. für geometrische Figuren. Einem Kreis, einem Dreieck, Viereck, Pentagramm oder Hexagramm kann man, je nach Bedarf, verschiedene Bedeutungen unterlegen. Diese Symbole verhüllen ihre Bedeutung jedem, der nicht damit bekannt gemacht worden ist. Die fast unbegrenzte Deutungsmöglichkeit und Deutungsbedürftigkeit von Symbolen entspricht so recht freimaurerischer Geisteshaltung, der jeder starre Dogmatismus und jede einengende Ideologie suspekt sind. Durch die Verschlüsselung der Aussagen mittels Symbolen können die freimaurerischen Rituale die beabsichtigte verändernde Wirkung zwangsläufig nur auf einen „Eingeweihten“ ausüben, der sie selbst erlebt hat, sie intuitiv erfasst oder mit der Zeit lernt, sie zu deuten und zu verinnerlichen. Auf einen unvorbereiteten Außenstehenden wirken Rituale, in denen die Botschaft nur in Symbolen verschlüsselt vermittelt wird, deshalb eher unverständlich oder gar komisch.
Im Fernsehen können wir rituelle Handlungen von Naturvölkern rund um den Erdball verfolgen, seien es Eskimos, Indianer, Schwarzafrikaner oder Aborigines in Australien. Ziel und Zweck dieser rituellen Handlungen ist meist die Beschwörung von Geistern oder die Anrufung von Göttern zur Abwendung von Not und Gefahr, zum Schutz vor mächtigen Feinden, zum Heilen von Krankheiten oder zur Entlassung eines Toten auf seine letzte Reise. Wir werden dabei Zeuge von mit Hingabe und großem Ernst zelebrierten Ritualen, die dem oberflächlichen Zuschauen aber trotzdem als alberner Hokuspokus erscheinen können, weil er als aufgeklärter Europäer überzeugt ist, dass das erstrebte Ziel von den Beteiligten so nicht erreicht werden kann, oder weil sich ihm der tiefere Sinn des Rituals wegen der Verschlüsselung durch Symbole nicht eröffnet. Beim Vollzug einer rituellen Handlung ist es also oft nur ein kleiner Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen. Auch diese Einsicht ist ein Grund dafür, dass sich freimaurerische Arbeit nur in der sicheren Abgeschiedenheit des Tempels und nicht auf dem offenen Markte vollzieht und dass von jedem Freimaurer Verschwiegenheit über unser Brauchtum erwartet wird.