„Geht nun zurück in die Welt, meine Brüder und bewährt Euch als Freimauerer. Wehret dem Unrecht, wo es sich zeigt, kehrt niemals der Not und dem Elend den Rücken, seid wachsam auf Euch selbst.“
Diese Worte des Meisters vom Stuhl bei Schließung der Loge sind ständige Mahnung. Und wenn der Freimaurer die Mahnung ernst nimmt, beginnt es auch sofort schwierig für ihn zu werden. Not und Elend lassen sich noch erkennen, und er kann im Rahmen seiner Möglichkeiten für Abhilfe oder Linderung sorgen. Aber Unrecht? Wo ist hier die Meßlatte anzulegen? Was für den einen Recht ist, ist für anderen schreiendes Unrecht. Im Namen des Rechtes werden Menschen misshandelt, gefoltert, ihrer Heimat beraubt, getötet. Aktuelle Beispiele gibt es zu viele. Die Geschichte ist voll davon und auch die unsrige macht da leider keine Ausnahme.
Was soll in solch einer Welt für den Freimaurer die verbindliche Leitlinie, die Richtschnur sein? Es sind (1) Menschenliebe, (2) Toleranz und (3) Brüderlichkeit. In der gesamten Menschheitsgeschichte waren, sind und werden sie immer die Werte sein, die ein friedliches Zusammenleben der Menschen ermöglichen. Würde jeder sie recht verstehen, achten und konsequent befolgen, bedürfte es keiner weiteren besonderen politischen Menschenrechte. Sie sind allumfassend; sie sind ständige Verpflichtung zur Wahrung der Menschenwürde. Ist das nicht eine große und schöne Aufgabe, die uns in einer unendlichen Vielfalt täglich begegnet und in der sich der Freimaurer täglich bewähren kann?
Wir haben das Glück, in einem Staat zu leben, der die Würde des Menschen an die erste Stelle im staatlichen Zusammenleben stellt. Ganz bewusst wird staatliche Macht der Menschenwürde nachgeordnet; staatliche Macht wird verpflichtet, sich schützend vor die Menschenwürde zu stellen. Der Staat mag noch so gute und ehrenwerte Absichten haben, Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander. Defizite gibt es zu Hauff, wenn vielleicht auch nicht so gravierend, wie in manch anderen Staaten. Aufgabe aller Freimaurer muss es sein, diese Defizite aufzuspüren und sie im Sinne der Menschenliebe, Toleranz und Brüderlichkeit auszugleichen. Im Grunde ist unser Tun, unsere Hilfe aber immer nur ein Reagieren auf Missstände in der Gesellschaft: Viel erstrebenswerter müsste es sein, könnten wir das Gesetz des Handelns in die Hand nehmen, freimaurerische Wertvorstellungen mehr als bisher einfließen lassen in das Geflecht staatlicher Regeln, damit Not, Elend und Unrecht möglichst von vornherein unterbunden würden.