Die geistigen Keime und das Brauchtum der Freimaurerei.
Das in der Freimaurerei heute praktizierte Brauchtum, unsere Rituale, wurde weitgehend von den Steinmetzbruderschaften des Mittelalters entlehnt. Die heutige Freimaurerei ist also aus mittelalterlichen Bauhütten hervorgegangen, in denen Handwerker des Sakralbauwesens tätig waren. Diese Baumeister als Leiter der Baustellen waren hochqualifiziert und zogen oft von Baustelle zu Baustelle, um neue Sakralbauten zu schaffen.
Durch das Herumziehen waren sie eigentlich heimatlos. So entstanden über die Landesgrenzen hinweg Steinmetzbruderschaften, in denen sich diese Baumeister zusammen fanden. Für die Errichtung der meist recht großen und sowohl bautechnisch als auch künstlerisch aufwendigen Kathedralen und Dome, aber auch der Burgen, Schlösser und Adelssitze musste, da die maschinellen Hilfsmittel unserer Tage noch nicht vorhanden waren, jeweils eine große Anzahl von Bauhandwerkern oft für eine längere Zeit am Ort des Geschehens konzentriert werden.
Diese große Schar galt es dann auf das gemeinsame Ziel, die Errichtung des Bauwerks, auszurichten. Dazu waren Informationen und Instruktionen über die vorliegenden Entwürfe und Konstruktionspläne, über die zu verwendenden Materialien und über die technischen Vorgehensweisen erforderlich. Dazu gehörten auch die Verpflichtung zur Geheimhaltung aller Informationen und die Bewahrung spezifischer Berufsgeheimnisse vor unerwünschter Konkurrenz. Hier finden wir eine Wurzel für die noch heute unter Freimaurern geübte Verschwiegenheit. Auch wenn es heute kein Fachwissen mehr zu verheimlichen gilt, wird Verschwiegenheit weiterhin als Mannestugend geübt, um die notwendige Vertrauensbasis unter den Brüdern zu schaffen.
Das Wissen, die Gebräuche und die Erkennungszeichen der Baumeister wurden nicht niedergeschrieben, blieben also geheim. Der Zusammenhalt der „Bruderschaften“ gründete auf diesen „Geheimnissen“, unabhängig von jeweiligen religiösen und politischen Einstellungen.
Aus handwerklichen und sozialen Erfordernissen entwickelte sich in den Bauhütten so ein eigenes Brauchtum, das dann von den modernen Freimaurer-Logen, der sogenannten spekulativen Maurerei, in ihren Ritualen weitgehend übernommen wurde.
Es galt früher neben den fachlichen Erfordernissen auch, bei so vielen auf engstem Raum und vielleicht in provisorischen Unterkünften lebenden und arbeitenden Menschen die öffentliche Ordnung und den sozialen Frieden zu gewährleisten. Das geschah mittels der den Steinmetzbruderschaften verliehenen eigenen Gerichtsbarkeit. Um aber Streitigkeiten möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen, wurden Hüttenordnungen mit sehr strengen Regeln für das Verhalten der Bauleute zu ihren Zunftgenossen im besonderen und zu den anderen Brüdern der Stadt im allgemeinen erlassen. Darin wurden die Bauleute verpflichtet, ihre Lebensgestaltung und ihr Handeln nach den Regeln der guten Sitte auszurichten. Auffallend ist, dass in diesen alten Ordnungen ausschließlich die Pflichten der Bauleute geregelt waren, von irgendwelchen Rechten aber nirgendwo die Rede ist.
In den „Alten Pflichten von 1723“, dem heute noch unverändert gültigen Grundgesetz der Freimaurerei, wie auch in der ,,Freimaurerischen Ordnung“, der Verfassung unserer Großloge, können wir manche noch heute gültige Regelung aus den alten Hüttenordnungen wiederfinden.
Durch die Reformation und die sich anschließenden Religionskriege kam der Sakralbau auf dem Kontinent zum Erliegen. Anders jedoch auf der britischen Insel, wo das Fortbestehen der Hütten durch angenommene Maurer (accepted masons) gesichert wurde. Sehr viele Adlige prägten das Logenleben, wie die Hütten in England genannt wurden. Sie suchten und schätzten die Offenheit und die tolerante Haltung, wie sie durch die internationalen Kontakte der weitgereisten Baumeister in die Logen getragen worden waren. Da die Brüder grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet waren, konnten sich in den Logen Adlige, Bürger und Handwerker ungestört auf gleicher Ebene begegnen.